Elektra.
Oper in einem Aufzug von Richard Strauss.
Mainfranken Theater Würzburg 2023/2024

Musikalische Leitung Enrico Calesso
Inszenierung Nina Russi
Ausstattung Julia Katahrina Berndt
Lichtgestaltung Andreas Schmidt
Dramaturgie Berthold Warnecke

Elektra Elena Batoukova-Kerl
Klytämnestra Sanja Anastastia
Chrysothemis Ilia Papandreou
Aegisth Brad Cooper
Orest Kosma Ranuer
Der Pfleger des Orest Herbert Brand
Die Vertraute / Die Aufseherin Natalia Boldyrieva
Die Schleppträgerin / Vierte Magd Milena Arsovska
Ein junger Diener Mathew Habib
Ein alter Diener Gustavo Müller
Erste Magd Barbara Schöller
Zweite Magd Veronica Brandhofer
Dritte Magd Hiroe Ito
Fünfte Magd Sandra Harnisch

Philharmonisches Orchester Würzburg
Statisterie Mainfranken Theater Würzburg

Premiere
08. Oktober 2023

Fotos © Nik Schölzel
Video-Gesamtaufnahme
auf Anfrage verfügbar
Informationen
Mainfranken Theater Würzburg

Pressestimmen

In der Drehtür des Grauens
[Einer] Seele beim Leiden zuzuschauen ist ja alles andere als appetitanregend. Allerdings kann es zutiefst berührend sein, wenn es so inszeniert wird wie von der schweizerisch-österreichischen Regisseurin Nina Russi am Mainfrankentheater in Würzburg. […] Stehende Ovationen für einen in jeder Hinsicht aufwühlenden Richard-Strauss-Abend: Das düstere (und lautstarke) Rachedrama um eine mörderische Königsfamilie überzeugte in Würzburg mit einer bildstarken Regie und einem funkensprühenden Dirigat.
BR Klassik, Peter Jungblut

Ein Opernereignis, das überwältigt
Die Inszenierung des Mainfranken Theaters in der Blauen Halle ist ausgesprochen beeindruckend: Großes Orchester, große Stimmen, packende Regie und ein großartiges Bühnenbild. […] Nina Russi zeichnet die Figuren präzise und authentisch. Und verweigert damit einige Rollenklischees.»
Main-Post, Mathias Wiedemann

Die zornige Frau und ihre Waffe
Auch sind hier Wunder möglich. Richard Strauss’ «Elektra» zum Beispiel kommt zu einer seltenen Kraft und Durchdringung. Das war so nicht zu erwarten. Der Regisseurin Nina Russi und dem Dirigenten Enrico Calesso gelingt das mit sogenannten überschaubaren Bordmitteln, Sinn, Verstand und vermutlich viel Zuneigung. […] Kompakt und plausibel ist Russis Lesart, sie braucht weder Blutkonserven noch sonstige Grellheiten, um der totalen Dauerregung von Lage und Musik angemessene Bilder mitzugeben. Hier bewegen sich einfach Menschen – kriechend, stolzierend, huschend, immer glotzend – in einem Alptraum, den sie längst kennen und dem sie trotzdem nicht gelassen gegenüberstehen können.
Frankfurter Rundschau, Judith von Sternburg

Gefangen in einer Rachewelt
Gefangen ist das Publikum zudem von einer beklemmenden Handlung in Regie von Nina Russi, der man sich in all ihrer Grausamkeit und Absolutheit kaum entziehen kann. […] Stehende Ovationen für ein so düsteres wie bild- und klanggewaltiges Blutdrama. Unkenrufe gingen voraus, dass im Provisorium «Blaue Halle» eine «Elektra» nicht möglich sei. Enrico Calessos Philharmonisches Orchester Würzburg, die Sängerinnen und Sänger sowie das Regieteam um Nina Russi trotzten diesen erfolgreich.
Main Echo, Michaela Schneider

Extremer Hass
Das eigentlich verstörende Werk fasziniert trotz der Härte und Dissonanzen durch die Dichte der Aussagen. Die Regie von Nina Russi verstärkt die mitreissende Wirkung noch durch die Konzentration auf wenige Mittel […] wie bei einem reduzierten Kammerspiel. […] Bei allen Grausamkeiten des Inhalts lebt die Inszenierung von der überzeugenden Zeichnung der Personen […]. Das Premierenpublikum im nahezu ausverkauften Haus feiert die packende Opern-Inszenierung lange mit begeistertem Applaus und vielen Bravo-Rufen.
Kulturmagazin O-Ton, Renate Freyeisen

Mit enormer Wucht
In der subtilen Regie von Nina Russi gewinnt die Oper «Elektra» von Richard Strauss (…) neue Intensität. […] Die Szene zwischen Elektra und Klytämnestra ist hier an dramatischer Wucht kaum zu überbieten. […] Die Bu?hne wird zum Niemandsland und zur Kampfarena. […] So ist das Geschehen explosiv bis zum Schluss. Ovationen und Jubel […] für das gesamte Team.
Online Merker & Theaterkompass, Alexander Walther

Tanz in den Tod
Die packende Wirkung wird gesteigert durch die geschickte Personenregie von Nina Russi im Verein mit dem Bühnen- und Kostümbild von JuliaKatharina Berndt: Es ist eine Konzentration auf wenige entscheidende Mittel wie bei einem Kammerspiel. Der Schwarz-Weiß-Kontrast dominiert, ergänzt durch die Blutfarbe Rot.
Bayerische Staatszeitung, Renate Freyeisen

Sternstunde traumatisierter Frauen
Ohne Blut, Krächzen und trotzdem mit expressiver Verdichtung modellierte Nina Russi genau gezeichnete Figuren, die sich hassen und trotzdem voneinander nicht loskommen. […] Die Inszenierung der jungen Schweizer Regisseurin hatte Format, Stil und Charakter für Hugo von Hofmannsthals wortgenaue Studie über das traumatisierte Frauen-Trio unter der Geißel des Atridenfluchs. Das ging in Würzburg ohne nerdige Exzesse ab. Im Gegenteil. Russi gab der nur ihren Rachegedanken und der Erinnerung an ihren ermordeten Vater Agamemnon lebenden Elektra, deren sich nach gesundem Sex und gesunden Kindern sehnender Schwester Chrysothemis sowie der psychosomatisch gepeinigten Mutter Klytämnestra ernste und sogar elegante Kontur.
Neue Musikzeitung, Roland H. Dippel

Gedankensplitter. Elektra als Frau und Stück fasziniert. Eine gewaltreiche Familientragödie mit Mord, Vergeltung und Rache. Ein psychologisches Drama der Gefühle, Begierden und Alpträume. Das Psychogramm einer Frau, dreier Frauen, einer Familie. Es ist, wie wenn eine menschliche Seele in einem sich ausdehnenden Moment zusammengepresst wird, die Zeit scheint still zu stehen.

Es ist egal wo, ob Griechentum oder Gegenwart, wichtig ist, was verhandelt wird. Wir treffen auf drei Frauen mit verschiedenen Lebensentwürfen und Grundsituationen. Wir beobachten wie unter dem Brennglas, wie die drei mit ihrer verfahrenen Situation und Konstellation umgehen. Vater Agamemnon ist tot, von der eigenen Frau und deren Liebhaber ermordet. Tochter Elektra hadert mit dem Verlust ihres Vaters, ist Aussenseiterin am Hof, hat hysterische Wahnvorstellungen. Sie führt ein ohnmächtiges Leben in den Trümmern der Geschichte Griechenlands und ihrer Familie, nur der Gedanke an Rache nährt sie. Ihre Schwester Chrysothemis verdrängt die Vergangenheit und hofft auf ein neues Leben mit Mann und Kind. Als Gegenspielerin wirkt die Mutter der beiden, Klytämnestra, eine Frau am Rande des Wahnsinns mit schrecklichen seelischen Schmerzen, die auch körperlich werden. Doch Selbstentfremdung und Identitätsverlust sind allen drei gemeinsam. Daraus entstehen zahlreiche Momente, in denen sich Mutter und Tochter, wie auch die beiden Schwestern emotional näher sind, als ihnen lieb ist.

Elektra wartet auf den zurückkehrenden Bruder, der die Rachetat, den Muttermord ausführen soll. In dieser düsteren Atmosphäre rettet sich Elektra, hasserfüllt und selbstvernichtend, in den Glauben an ein Ritual, in die tägliche Heraufbeschwörung des umgebrachten Vaters zur Sterbensstunde. Es muss sich wie eine blutende oder eiternde Wunde anfühlen, ein Riss durch die Seele. Ihre Gefühle und Gedanken drehen im Kreis, sie steckt wie in einem Teufelskreis, in einem Strudel, in einer Welt, die sich in immer kleineren Kreisen um Schandtat und Rache dreht. Es wird gewartet, gelauscht, gelauert, gesucht, gegraben, gestöhnt, geschrien, gehofft, geliebt und gemordet.

Die expressiven instrumentalen Zwischenspiele – Raum und Zeit für pure Gefühlsausbrüche – verdichten die Szenen zu höchster Suggestionskraft, in denen Gestik und Licht mehr als die Sprache sagen und die Musik ihre ausserordentliche Wirkung entfalten kann. Da entsteht aus Grässlichkeit Schönheit, oder mehr noch: Sinnlichkeit.

So geht Elektra ihrem Verhängnis und unausweichlichen Ende entgegen und nach dem Mord an Klytämnestra und ihrem Geliebten Ägisth, den ihr Bruder Orest schliesslich vollbracht hat, verlieren Vergangenheit und Zukunft jegliche Bedeutung. Elektras letzte Worte sind: «Schweigen und Tanzen». Danach werden wir Zeugen, wie die komplette Erschöpfung, Lust und Wut Elektras in einem ekstatischen, ja sogar orgiastischen Ausbruch gipfeln, einem Erdbeben gleich. Als Apotheose steht ein «Triumphtanz», der zum Zeichen der vollständigen Isolierung wird. Die Inszenierung endet mit dem Bild einer Endzeitstimmung.

Im Kern zeigt das Stück eine faszinierende wie auch abstossende, aber zeitlose Wahrheit, indem die Kinder versuchen, die Logik von Heuchelei und Selbstbetrug ihrer Eltern zu durchbrechen – und zwar mit einem Verbrechen. Indem sie die Schuld ihrer Vorfahren vergelten, werden die Nachfahren wieder schuldig. Die Opfer werden zu Tätern. Der Generationenkonflikt endet so grausam, dass sich die Frage stellt, ob für die Kinder ein Neuanfang in dieser zerstörten Welt überhaupt möglich ist. Bleibt Elektra? Verlässt sie dieses System, oder zerbricht sie daran?

Statement der Regisseurin Nina Russi im Programmheft